WeBlog

„Bausteine im Dialog“ | Digitales Wissensmanagement & virtuelles Networking

von Franziska Raabe und Dr. Manfred Bornemann

Die GfWM wurde von nachhaltig.digital eingeladen, zum Thema Wissensmanagement einen kurzen Input zu leisten. Franziska Raabe und Manfred Bornemann bereiteten gemeinsam mit Oliver Fleischmann einen kurzen Impuls vor, der auch hier kurz dargestellt wird. Im Fokus stehen die zwei Schlagworte „nachhaltig“ und „digital“, die mit unserem Thema Wissensmanagement exzellent verbunden werden können. Ganz traditionell klären wir dazu einmal, was wir unter den Begriffen verstehen und wo sich dann spannende Diskussionen entwickeln können.



„Was ist eigentlich Wissensmanagement“

Entsprechend der Definition im D-A-CH Wissensmanagement Glossar 2020 lautet die erste Antwort: „Wissensmanagement ist die Gestaltung von Rahmenbedingungen, so dass Wissen optimal wirksam werden kann.“ Dahinter steht aber selbstverständlich viel mehr – unter andere auch die Frage, wie sich Wissen als Ressource von anderen unterscheidet.

Wissen ist die nachhaltigste Ressource überhaupt. Sie kann mit wenig Aufwand wiederverwendet werden – ohne besondere Nutzung knapper Ressourcen, also etwa Energie, Rohstoffe, Land etc., die alle grundsätzlich begrenzt sind. Zeit zum „Lernen“ ist nicht knapp, wohl aber Motivation und Aufmerksamkeit, vielleicht auch „Talent“ oder „Intelligenz“ … das sind aber ganz andere Baustellen. Wenn Wissen wiederverwendbar ist – und durch Nutzung sogar noch wertvoller, gehaltvoller, interessanter … wird, dann gelingt es, durch die Anwendung von Wissen Rohstoffe zu sparen (siehe 3D Druck, Nanotechnologien, digitale Speicher statt Bücher, …) und damit „Nachhaltigkeit“ im weitesten Sinn sehr positiv zu unterstützen.

Wissensmanagement und Nachhaltigkeit stehen in einem Spannungsfeld – ähnlich zu digital und analog. Digitale Ansätze sind ohne analoge Grundlagen (Werte, Kultur, Zielvorstellungen) nicht nachhaltig, Nachhaltigkeit ohne bessere Nutzung von Wissen (=WM) schwer denkbar? Insofern ist Nachhaltigkeit in der DNA von WM.

Damit „digital nachhaltig“ funktionieren kann, sind ein paar Vorarbeiten in der analogen Welt empfehlenswert. Eine integrierte Sicht ermöglicht aber enorme Entwicklungen. Die Details („Bedarf analysieren“ „inventarisieren“, „anwenden“, „verteilen“ …) sind grundlegend bereits in Normen geregelt. Die GfWM-Fachgruppen arbeiten daran.

Welche Fähigkeiten braucht man eigentlich für Wissensmanagement?

Neben dem Fachwissen als Grundlage geht es primär um Soft Skills. Damit wir Wissen teilen können, ist eine Reflexion einer Fragenkette sinnvoll: was weiß ich selber, was glaube ich, was der andere wissen will und wie baue ich die Brücke? Zu wissen, wofür ich angesprochen / gefragt werden will klingt einfacher als es konkret ist. Insbesondere, wenn wir unter Zeitdruck arbeiten und anfragen priorisieren müssen, gibt es viele Themen, zu denen ich effektiver als andere antworten kann – und umgekehrt. Vor allem umgekehrt. Die meisten Themen sind bei anderen viel besser aufgehoben als bei mir. Wenn wir im Wissensmanagement die Möglichkeit schaffen, Transparenz zu entwickeln, wer eigentlich wofür am besten geeignet ist, haben wir einen großen ersten Schritt gemacht.

Im Kontext der oben dargestellten Dichotomie zwischen analog und digital haben wir nun aber ein kleines Problem: es ist leicht möglich, für jeden einen Lebenslauf oder ein Kompetenzprofil zu erstellen. Meine Langversion ist inzwischen über 20 Seiten lang – und damit einerseits zweitintensiv zu lesen, anderseits doch nur eine chronologische Schlagwortsammlung. Der Inhalt ist „digital“ verfügbar, aber niemals „vollständig“. Im Wissensmanagement sprechen wir vom Eisbergmodell – im Personalmanagement gibt es daher das „Bewerbungsgespräch“ und das „Mitarbeitergespräch“, die die Hintergründe zum Text ausleuchten. Wir verbinden die Ebenen analog und digital.

Was für den Personaler tägliches Geschäft ist, wird im Team zur Zusatzaufgabe: Wie stellen wir sicher, dass Menschen sich „kennen“ und einordnen können? In Organisationen passiert das normalerweise ganz selbstverständlich und unorganisiert – nach einem Jahr glauben viele zu wissen, wie die anderen so ticken. Real ist das aber sehr unvollständig – oft sogar falsch, weil man jemanden etwa in einem Kontext kennenlernte – z.B. bei einer Office Schulung als Vortragenden – die „wahre Expertise“ aber ganz woanders liegt. Aus der falschen Schublade kommen wir nur schwer heraus.

Dann haben wir das Problem der Datenflut. Wenn ich nun 10 Kollegen im Team habe und alle „ähnlich“ wie wir selber sind, liegen 200 Seiten CVs vor mir. Es gibt angenehmere Lektüre. Und daher wird sie eben zunächst verschoben, dann ignoriert. Wie fast alle Handbücher, Protokolle, oder anderen technischen Dokumentationen. Menschen (Mitarbeiter) mögen keine Ordner lesen – egal ob „auf Papier“ oder via App. Manche lesen aber dennoch sehr diszipliniert – und vergessen unmittelbar darauf, was sie gelesen haben. Menschen sind nicht gut im Umgang mit vielen Daten.

Genau hier liegt das Problem im Umgang mit Wissen und (digitalen) Daten.

Einigermaßen aktuelle Dokumentensysteme erlauben (grundsätzlich) den schnellen und effektiven Zugriff. Details können, sofern die Datensätze ähnlich strukturiert sind, schnell gefunden werden und doch bleiben oft Fragen offen: Was genau war der Inhalt eines bestimmten Projektes? Welche Beiträge genau waren von einer speziellen Person, was war Teamleistung und was wurde zugekauft und ist daher nicht dem Team zurechenbar? Typischerweise erreichen die digitalen Unterlagen hier schnell ein Limit. Als Ausweg bleibt: jemanden anrufen, der mehr dazu weiß oder zumindest zu einem anderen weiterleiten kann, der schließlich diese Details – oft nur mit ambivalenter Qualität – hat.

Von den 1001 Problemen, die aus Vertraulichkeit, Datenschutz und Sicherheitsthemen entstehen, sprechen wir heute besser nicht. Sie lassen sich alle lösen, wenn auch nicht immer ganz billig. Wir sehen aber, dass gute Entscheidungen von aktuellen, verlässlichen Daten und vor allem von Kontextwissen abhängig sind. Damit wir dieses schnell und effektiv aktualisieren können, hilft neben einer guten Organisationsstruktur (die kann fast jeder gute Berater bauen) vor allem eine vertrauensvolle und wissensorientierte Unternehmenskultur als auch eineklare Strategie. Auch hier gibt es viele spannende Aspekte – weshalb zunächst nur einer hervorgehoben wird:  Ist Wissen hierarchisch oder demokratisch? Wissen „die da oben“ „mehr“ oder „anderes“ als jene? Wie gehen wir mit Widersprüchen um? Ist Wissen eher begründungspflichtig und im Zweifel rational oder gilt eine „Meinung“, eine persönliche Präferenz gleich viel? Wie entscheiden wir das? Viel zu oft erleben wir, was eher als Witz gemeint ist:

  • §1 Der Chef hat immer recht.
  • §2 Wenn der Chef nicht recht hat, gilt §1.

Im Kontext der oben beschriebenen Nachhaltigkeit wird klar, dass so ein Zugang dauerhaft wenig bringt.

Wie macht man nun Wissensmanagement?

Dazu gibt es sehr viele Instrumente, die in Unternehmen oft nur wenig systematisch eingesetzt werden. Daher unterstützt die GfWM die Entwicklung der DIN SPEC 91443, die hier aufbauend auf die DIN ISO 30401 einige Rahmenaussagen macht. Ergänzend gibt es zahlreiche Leitfäden des BMWi, die in 10 Minuten nicht zusammenzufassen sind.

Sehr viele WM-Projekte scheitern – eben, weil zentralen Fragen nicht geklärt sind: Was sind eigentlich unsere Unternehmensziele? Was sind unsere Kernkompetenzen? Passen diese zusammen? Wie sichern wir die Kongruenz zur Systemumwelt (Markt und Wettbewerber)? Andere – so etwa die globalen Tech-Giganten – arbeiten systematisch daran und erreichen überragende Wachstumswerte. Wir empfehlen einen ganzheitlichen Ansatz zu Wissensmanagement. Das klingt zunächst etwas aufwendiger – und ist in 2 Nachmittagen ganz sicher nicht zu erreichen. Aber wer glaubt ernsthaft, nach zwei Nachmittagen ist Weltmarktführerschaft möglich? Wer kontinuierlich daran arbeitet, erreicht nachhaltig größere Erfolge mit weniger Risiko als durch unkoordinierte ad-hoc Aktionen.


———-

Auszug aus dem Fallbeispiel von Oliver Fleischmann (SEW Eurodrive)

“Wichtig ist es, Wissensmanagement in der Praxis ganzheitlich anzugehen und den Blick weg von den heilsbringen Werkzeuge auf die Gesamtsituation zu erweitern. Es reicht nicht das Werkzeug zur Verfügung zu stellen und dann ist die Ernte garantiert, sondern man muss auch in den Garten gehen und sich anschauen was genau damit passiert. Regelmäßig gießen und mit dem Gärtner sprechen, um beim Bild des Wissensgartens (Gabriele Vollmar) zu bleiben.

Daher sind die begleitenden Prozesse bei der Tooleinführung fast schon wichtiger als das Tool selbst. Schulungen, Vernetzung, gemeinsames Arbeiten an Prozessen und die Weiterentwicklung der gemeinsamen Aufgabe. Sei es für ein zentrales Newsletter Verteilwerkzeug oder ein Lernmanagement System, wichtig ist die Vernetzung von Menschen im Kontext.”

———-


Zur Veranstaltung kamen rund 50 Personen zusammen. Anschließend an den Impuls wurde in kleineren Runden weiter diskutiert. Ein Raum für Austausch – mehr braucht es nicht. Bei weiterem Interesse gibt es im Blogbeitrag der Veranstaltung von nachhaltig Digital sicher weiter Anknüpfungspunkte: https://nachhaltig.digital/blog/1393