ISO 30401WeBlog

Ein ISO 30401-Wissensmanagement-Kochbuch

Hier möchte ich ein Buch vor den Vorhang holen, dass an Wissensmanagement Interessierte aus 3 Gründen unterstützen kann:

“The KM Cookbook: Stories and strategies for organisations exploring Knowledge Management Standard ISO30401” von Chris J. Collison, Paul J. Corney and Patricia Lee Eng.  March 2019

ISO30401 The KM Cookbook

Disclaimer: 
Ich glaube, keine Buchbesprechung ist neutral. Meine ist geprägt von meiner Art der Arbeit und meiner Wertschätzung für Chris Collison. 
In meiner Arbeit (u.a. Aus- und Weiterbildung sowie Projektbegleitung Wissensmanagement) begegnet mir fast immer akuter Zeitmangel gepaart mit dem Wunsch, trotzdem Wissen zum Fließen zu bringen. Dafür werden einfach wirkungsvolle Methoden und Formate benötigt. Ich bestehe immer auf einem SMARTen Ziel dafür und dass es den Firmenzielen nützt. Danach kremple ich die Ärmel hoch und bin pragmatisch. 
Chris Collison schätze ich für seine innovativen Wissensmanagement-Hacks. Vom River Diagram bis zu Wissensmanagement-Gamification.

Diese Haltungen prägen sicher die folgende Betrachtung des vorgestellten Buches. Wenn Sie das nicht stört, finden Sie nun hier meine Buchbesprechung und kleine Tipps aus dem Buch.

Grund 1: Die Norm bringt Dich in Form

Der Anlass des Buches ist der Wissensmanagement-Systeme-Standard ISO 30401 („Knowledge management systems – Requirements“). Diese Norm ist einerseits Anleitung zu Wissensmanagement (WM), andererseits kann sie Stakeholdern zeigen, wie die Organisation/Firma mit Wissen umgeht:

•          Kontext der Organisation/Firma und WM.

•          WMorientierte Führung.

•          Planung (Strategie) für WM.

•          Unterstützung für WM.

•          Organisation von WM.

•          Einschätzung/Messen der Leistung von WM.

•          Verbesserungen.

Damit „definiert die ISO das ‚Was‘ des Wissensmanagements“. (Buch S.9, Übersetzung A.Hx.) Die AutorInnen sehen in ihr eine Chance für mehr als die Schaffung eines geeigneten WM-Vokabulars oder die Zertifizierung eines bestimmten WM-Niveaus. Sie sehen darin eine Chance, WM neu zu betrachten und voneinander dafür zu lernen.

Um einen leichten Zugang dazu zu ermöglichen, nutzen sie ein Restaurant als Metapher und Struktur für ihr Buch: von der neuen Küche (ISO 30401) angefangen, über benötigte handelnde Personen bis hin zu den Menüs (Praxisbeispiele von WM-Herangehensweisen).

Auf diese Weise kann man sich das Buch auch leicht blätternd erschließen beziehungsweise es „kosten.“ 

Grund 2: Visuelle Checklisten

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil („A new way to cook?“) schaut auf WM mittels der o.g. Metapher. Betrachtet werden dafür WM-Beteiligte und WM-Zutaten:

  • „A new kitchen
  • What kind of restaurant?
  • The role of the restaurateur
  • The skilled chef
  • Getting some help: the staff
  • Understanding the ingredients
  • The restaurant critic: what to expect in an audit
  • Planning the menu: the KM Chef’s Canvas
  • The KM chefs’ specials: taster menu“

Der zweite Teil bringt Praxisbeispiele aus 16 WM-„Küchen“.

Im ersten Teil ragen für mich zwei einfach nutzbare visuelle Checklisten heraus. Sie erleichtern – wie das Visualisierungen so tun – den Zugang zum Thema.

“The connect-collect-create triangle” (Buch S. 16 – 17). Denken an WM Interessierte – gefühlt für mich – fast immer zuerst an Collect und nur an Collect allein, kann auch Connect der Weg sein, Wissen zum Fließen zu bringen oder Create die benötigte Lösung. Eine ganzheitliche Betrachtung der eignen Situation mit Hilfe dieses Dreiecks macht sehender: „Knowing where your centre of gravity lies.“ (Buch S.16)

„The KM Chef’s Canvas“ (Buch S.55). Hat Alexander Osterwalder das River Diagram aus einem Buch von Geoff Parcell und Chris Collison gelernt,   wenden jetzt die AutorInnen das Canvas-Format auf WM an. Der Canvas ist ein Einseiter und Advance Organizer, der hilft, sich WM in Form der ISO 30401 zu nähern. Unabhängig von einer Zertifizierung ermöglicht er, zu planen oder sich selbst zu prüfen. Dazu dienen 57 Fragen in 12 Rubriken im Canvas. 

Außerdem wird der Canvas als ein Zugang zu dem Praxisbeispielen genutzt.

Grund 3: Praxis, einfach praktisch

Hilfreiche Praxisbeispiele für Wissensmanagement kann man nie genug haben, um damit das eigene Wissensmanagement weiterzudenken. Man bekommt sie auf Veranstaltungen oder in Whitepapers, seltener in Blogs. Werden diese Beispiele sehr öffentlich vorgestellt, scheint es mir, dass es dann eher leuchtende Beispiele sind, denen man nicht so leicht „hinterherkommt“. Einer der Vorteile des Buches, sind daher auch die vielen tiefen Einblicke in das Ringen von Organisationen und Firmen, Wissen zum Handeln zu bringen. Damit kann man Wege zu erfolgreichen Beispielen leichter nachvollziehen. Und gleichzeitig bekommt man auch viele relativ einfach nutzbare Hacks beziehungsweise Wissensmanagement-Kniffe. 

16 Organisationen und Firmen aus aller Welt kommen dafür zu Wort: 

  • Aus Amerika
    • World Bank
    • General Electric
    • USAID
    • Schlumberger
    • PROCERGS
  • Aus Europa
    • International Olympic Committee
    • Medecins sans Frontieres
    • Transport for London
    • Syngenta
    • Linklaters
    • Dstl (Defence Science & Technology Laboratories)
    • Financial Conduct Authority
  • Aus dem Mittleren Osten
    • Petroleum Development Oman
    • Saudi Aramco
  • Aus Asien
    • Mapna
  • Wissensmanagement bei Mergers and Acquistions
    • TechnipFMC

Es sollte nicht abschrecken, dass viele davon groß und international sind. Nahezu alle Beispiele sind für viele Firmengrößen und Branchen nutzbar. Zum Beispiel 

  1. Die erleichternde E-Mail-Signatur von Robin Vincent-Smith (Medecins sans Frontieres), die „Wissen ohne Grenzen“ ermöglichen soll: „My name is Robin. I’m here to help. My agenda is up to date. Book me!” (Buch S.144)
  2. Die „Magic Masterclass“ für „Fantastic Facilitator” volunteers, die Wissen in Besprechungen zum Fließen und zum Handeln bringen, auch von Robin Vincent-Smith. (Buch S.144 – 145)
  3. Die „Playbooks“ als Better Practice-Dokumente bei Linklaters. Was Playbooks leisten können, finden Sie hier. (S. 176) 
  4. Die WM-Botschaft, die alle „WM-BotschafterInnen“ bei Petroleum Development Oman einheitlich nutzen und verfeinern: „WM auf einer Seite“ und der „WM 15 Sekunden-Elevator-Pitch“. (Buch S. 208)
  5. Das „Hidden Skill“ Poster-Game von Saudi Aramco. Es besteht aus Fotos von MitarbeiterInnen und verdeckten besonderen Skills. Nun platziert man Karten mit Skills dazu, die man bei den Kolleginnen kennt oder vermutet. Dafür lassen sich viele Einsatzvarianten und -formate finden. (Buch S.221 – 221, 256)

Praxis steckt auch in vielen Visualisierungen von Strategie-Maps und in den Zitaten („In many ways, these precedents are the firm’s crown jewels”, Linklater, Buch S.176)

Mein Fazit

Einzig zwei Aspekte fand ich im Buch herausfordernd. Es gibt zwei Metaphern-Pakete, die einerseits das Thema greifbar machen, doch andererseits in Summe dann doch zu viele für mich waren. Dies sind das Restaurant mit allem was dazugehört und im zweiten Buchteil die Menü-Details. Doch engagierte LeserInnen können das ausgleichen, indem sie sich die Seiten xiv und 75 kopieren und daraus Lesezeichen basteln. 

Dieses Wissensmanagement-„Kochbuch“ erscheint mir insgesamt geeignet für alle, die Wissensmanagement „kochen lernen wollen oder an weiteren Zubereitungsarten und Rezepten“ interessiert sind. Dafür bekommen sie eine Vielfalt an Strategien und Zutaten an die Hand, die Wissen zum Handeln bringen können.

Das Buch kostet als Paperback £34,75. Die Buchwebsite finden Sie hier.

Ein Hinweis

Aktiv ist die GfWM natürlich auch in Bezug auf die ISO 30401Hier erfahren Sie mehr.