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Sascha Lobo über die Digitale Welt von Morgen

Sascha Lobo hat heute (29. Januar 2015) beim ELO ECM Kongress in Stuttgart mal wieder eine tolle und inspirierende Rede gehalten. Hier ein paar interessante Aspekte daraus, die natürlich weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit erheben. Also:

Vor kurzem erklärte Sascha Lobo in Spiegelonline 2015 zum „Jahrfünft des Datenstroms“ – Die Verstreamung der Welt schreitet unaufhaltsam voran mit weitreichenden Konsequenzen. Mark Zuckerberg sagte 2010 sinngemäß „Jedes Business wird in den nächsten 5 Jahren sich komplett social neu erfinden müssen.“ Zentrales Grundmuster ist die „Weisheit der Vielen“. Die lässt sich schön mit einem ganz analogen Projekt der 70er Jahre erklären: Christph Alexander erhielt den Auftrag zur Neugestaltung des Campus der University of Oregon PDX. Er wählte für damalige Verhältnisse einen ungewöhnlichen Ansatz: Erst alles planieren, dann Rasen säen und schauen, wo die Leute den Rasen niedergetrampeln. Dort wurde dann das effizienteste Wegenetz gebaut.

Der wirtschaftliche Wert sozialer Beziehungen ist imens. Facebook ist an der Börse 200 Mrd. wert. Also z.B. das 50fache von Lufthansa. Facebook hat sich als das soziale Betriebssystem der Welt etabliert. Was ist das wirklich Große dabei? Weniger die über eine Mrd. Nutzer welt-weit, sondern v.a. der Anteil der Durchdringung mit aktiven Usern! In Deutschland sind es ca. 30 % ( das ist unteres Mittelfeld), USA 50 %, Island 72 %, Vatikan 109 % (gemesssen an der Zahl der Anmeldungen vs. Einwohner). Facebook ist Seiten-mäßig die größte Plattform der Welt. Und das mit deutlichem Abstand: Facebook alleine hat mehr Seiten als alle Plattformen von Platz 2 bis 100 zusammen.

Ein wichtiger Grund dafür: Menschen sind datenbegeistert! Menschen teilen ihre Daten gern. Es kommt nur auf den Grund an. Wenn der Grund „stimmt“ wird kaum noch nachgedacht. Das gilt auch für sensible Daten. Auf diese Weise teilen Menschen über soziale Netzwerk viele kleine Elemente ihrer Persönlichkeit mit, die, wenn man sie zusammensetzt, ein erstaunlich genaues Profil erlauben.

Das zeigt ein interessanter Versuch von Donald Kluemper mit 500 Versuchspersonen in USA, die allesamt kurz zuvor im Rahmen irgendeines 500 Assessment Centers den jeweiligen Job bekommen haben. Diese personen wurden gebeten, anonymen Experten Zugang zum Facebook-Profil zu geben, die dieses Profil unabhängig vom AC hinsichtlich der Eignung dieser Person für den jeweiligen Job ausgewertet haben. Nach 6 Monaten wurden die Vorgesetzten aller 500 Teilnehmer befragt, wie sich der Kandidat nun in der Praxis bewährt hat. Ergebnis war, dass die Einschätzungen der Facebook-Profilauswerter sich erstaunlich genau mit der späteren Realität deckten! Sprich: Diejenigen, die zwar im AC durch kamen, aber im Rahmen der Auswertung ihrer FB-Profile eigentlich weniger gut geeignet erschienen, waren in der Realität auch diejenigen, die weniger gut bewertet wurden. Die Einschätzung auf Basis der Facebook Profile war signifikant näher an der Realität, als das Assessmentcenter! Quelle: Siehe Journal of Applied Social Psychology 2012.

Diese generelle Datenbegeisterung führt zu „Plattform Kapitalismus“ (dies ist eine Begriffskreation von Sascha Lobo, der inzwischen u.a. vom economist aufgegriffen wurde): Der Trend geht grund-sätzlich von der Hardware zur Software ins Netz. 2005 hat man das Handy XY gekauft, heute kauft man ein Android Phone (Gerät ist fast egal). Analog irgendwann Autokauf: Irgendwann kauft man das Auto, das alleine fahren kann. Und nicht die Lieblings-Hardwaremarke.

Diese Entwicklung findet in allen Bereichen und Ebenen statt. Im Ergebnis entstehen dadurch viele neue Möglichkeiten, aber auch weitreichende Änderungen und Beeinflussung von Freiheit: Das persönliche Verhalten wird immer transparenter und damit auch beeinflussbarer und steuerbarer. Sei es über die Smartwatch, die nicht nur via Bildschirm Informationen darstellt, sondern v.a. über die Rückseite des Gehäuses Daten über Haut, Blutdruck, Puls, etc. sammelt. Bis hin zum fahrerlosen Auto oder der Zahlbrüste „Kolibree“, die weiß, welcher Zahn wie gut geputzt wird und deren Hersteller nun Kontakte zu Zahnarzt-Krankenversicherungen aufnehmen.

Besonders interessant werden die Augmented Reality-Entwicklungen. Hier werden Realitäten mit echten 3D Daten „augmentiert“, natürlich in Echtzeit. Schönes Beispiel für die Verschmelzung der Welt mit digitaler Welt ist der Film von Microsoft „Hololens“ (https://www.youtube.com/watch?v=d54aGJFxSEo).

Soweit Sascha Lobo in seinem Vortrag. Für mich ist das eine weitere schöne Bestätigung der Herausforderung, diese Entwicklungen für die Wissensarbeit in Organisationen zu interpretieren. Denn das hat Sascha Lobo an dieser Stelle nicht thematisiert: Wenn es so ist (und das bestreitet niemand), dass solche gesellschaftlich-wirtschaftlich-sozialen Trends im Außenraum der Unternehmen stattfinden, dann werden sie an den Unternehmensgrenzen nicht halt machen. Und spätestens dann sind Antworten gefordert, die die wenigsten heute absehen.

Übrigens auch ein Grund, eine Plattform wie die Gesellschaft für Wissensmanagement für Inspiration und Austausch über den Tellerrand hinaus zu nutzen.